Vorfall an NRW-Schule "Keine guten Muslime" - so traktierten "Scharia-Polizisten" Mitschüler und Lehrer

FOCUS-online-Reporter Axel Spilcker

Samstag, 20.01.2024, 11:45

An einer Gesamtschule in Neuss versuchten Jugendliche, strenge islamische Regeln durchzusetzen, darunter Geschlechtertrennung und archaische Strafen. Dieser Fall reiht sich ein in die zunehmenden Radikalisierungstendenzen an Schulen. "Scharia-Polizisten" wollten schulfrei fürs Gebet und forderten Steinigung als Strafe

Vier Oberstufenschüler einer Gesamtschule in Neuss (NRW) sollen sich für die Anwendung der Scharia ausgesprochen haben. Sie maßregelten Lehrer und Schüler und sinnierten über Steinigungen als Strafe. Jetzt beschäftigt der Vorfall auch die NRW-Politik.

Nach islamistischen Vorfällen an einer Gesamtschule in der Neusser Nordstadt laufen die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft in Düsseldorf weiter. Laut einem internen Bericht der Staatsschützer sollen sich vier Oberstufenschüler für die Anwendung der Scharia ausgesprochen haben.

Nach FOCUS-online-Informationen sollen sich die 17, 18 und 19 Jahre alten Eiferer in einem Teams-Chat für Folter- und Tötungsmethoden wie die Steinigung als Strafe ausgesprochen haben.

"Scharia-Polizisten" an NRW-Schule: Züchtige Kleidung für Mädchen, Gebet auf dem Schulhof

So verbreiteten die jungen Islamisten in dem Teams-Kanal auch Videos der beiden Hassprediger Amor Ben Hamida und Pierre Vogel, die eine radikal-islamische Salafisten-Ideologie vertreten. Zudem verfochten die Schüler in Gesprächen mit Lehrern die Anwendung einer erzkonservativen Ausrichtung ihres Glaubens. Eine demokratische Gesellschaft lehnten sie ab.

Ferner berichteten islamische Mitschüler dem Polizei-Report zufolge, dass sie von der Clique als "keine guten Muslime" kritisiert wurden. Mädchen sollten sich züchtig bedecken. Die Forderungen nach strengen islamischen Regeln bezogen sich auch auf eine strikte Geschlechtertrennung in der Schule, im Schwimmunterricht und im Klassenchat. Zum Freitagsgebet sollte es früher schulfrei nebst einem eigenen Gebetsraum geben.

Die "Bild"-Zeitung berichtete, dass sich dieser besorgniserregende Trend bereits seit einem Jahr offenbart habe. Einige Schüler sollen sich demonstrativ zum Beten auf dem Schulhof versammelt haben, obwohl dies verboten ist. Selbst muslimische Lehrerinnen sollen wegen ihres Lebenswandels gemaßregelt worden sein.

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Drei Schüler verlangten schon im Frühjahr "strengere Auslegung des Islams"

Der Fall wurde inzwischen im Schulausschuss des NRW-Landtags debattiert. "Radikalismus und Extremismus haben an unseren Schulen keinen Platz", betonte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU). Der schulische Krisenbeauftragte im Ministerium, Martin Oppermann, berichtete, dass sich drei der vier Oberstufenschüler schon im vergangenen Frühjahr an Lehrkräfte gewandt und "Interesse an einer strengeren Auslegung des Islams" gezeigt hätten. Aus Sicht der Schule seien auch "staatskritische Äußerungen" gefallen, weshalb man die Polizei eingeschaltet habe.

In einem "schleichenden Prozess" hätten die Schüler dann irgendwann versucht, Mitschüler in ihrer Religionsausübung zu beeinflussen. Die Schule habe daraufhin etwa mit Informationen sowie Stärkung der Schüler und Lehrkräfte reagiert. Außerdem wurden Behörden wie das Ministerium informiert. Der Begriff "Scharia-Polizei" treffe aus Sicht der Neusser Schule überhaupt nicht zu.

Christian Blex von der AfD zweifelte an der Darstellung und fragte: "Ist zumindest ein schriftlicher Verweis erfolgt?" Laut Oppermann sei einer der Schüler für eine Woche vom Unterricht suspendiert worden. Welche weiteren disziplinarischen Maßnahmen erfolgten, blieb unklar.

"Wichtig ist jetzt, dass die Schule wieder in ruhiges Fahrwasser gerät"

"Jeder Extremist ist Mist", sagte Franziska Müller-Rech von der FDP dem "WDR". Die Landtagsabgeordnete warnte indes davor, den Vorfall überzubewerten. Eine landesweite Gefährdung der Schulen im Bereich Islamismus könne sie nicht erkennen. Ein Vertreter des Landesinnenministeriums sagte, dass die Polizei von Beginn an sehr eng mit der Schule zusammengearbeitet habe.

Nach einem Treffen mit der Schulleitung erklärte der Neusser Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings gegenüber FOCUS online: "In den letzten Tagen wurde viel über eine Neusser Schule gesprochen, an der sich vier Schüler wie eine 'Scharia-Polizei' aufgespielt haben sollen. Völlig klar ist: An unseren Schulen gilt deutsches Recht, angefangen mit dem Grundgesetz, und nichts anderes."

Den Austausch mit der Schulleitung, Schülerinnen und Schülern bezeichnete der CDU-Parlamentarier als "offene und transparente Diskussion". Eine "Scharia-Polizei" habe es nach Aussagen der Betroffenen zu keinem Zeitpunkt gegeben.

"Wichtig ist jetzt, dass die Schule wieder in ruhiges Fahrwasser gerät und ihre eigentliche Arbeit, nämlich die Vermittlung von Wissen, erfüllen kann." In einer schwierigen Situation habe man mit einzelnen Schülern konsequent gehandelt und sich frühzeitig an die zuständigen Behörden gewandt und Maßnahmen ergriffen, führte Geerlings aus.

Und weiter: "Extremismus ist eine schwere Last für unsere Gesellschaft und dies spiegelt sich zunehmend auch an unseren Schulen wider. Gemeinsam müssen wir uns dagegenstellen und jede Form von Extremismus bekämpfen."


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